University of Toronto G8 Informationszentrum
Suche | Suche nach Jahr | Suche nach Land | Stichwortsuche | G8 Zentrum

Dokumente

Wirtschaftsgipfel Köln

Deutschland: 18-20 Juni 1999

Wirtschaftsgipfel Köln, Deutschland, 18. - 20. Juni 1999

Bericht der G7-Finanzminister zur Kölner Schuldeninitiative
an den Wirtschaftsgipfel in Köln
18. - 20. Juni 1999

  1. Die 1996 auf den Weg gebrachte Initiative zum Abbau der übermäßigen Schuldenlast der hoch verschuldeten armen Länder (HIPC-Schuldeninitiative) hat bereits positive Ergebnisse gezeitigt und erstmals multilaterale Gläubiger, den Pariser Club sowie andere öffentliche bilaterale Gläubiger in einem umfassenden Rahmen zur Schuldenerleichterung zusammengeführt. Dennoch haben die jüngsten Entwicklungen und Erfahrungen die Anfälligkeit zahlreicher hochverschuldeter armer Länder für exogene Schocks gezeigt. An der Schwelle zum neuen Jahrtausend ist der Zeitpunkt gekommen, die Initiative weiterzuentwickeln und damit für zugangsberechtigte Länder die Aussichten auf eine tragfähige und dauerhafte Lösung ihrer wiederkehrenden Verschuldungsprobleme zu verbessern.

  2. Wir unterstützen daher einen zügigeren, tiefgreifenderen und breiter angelegten Schuldenerlaß zugunsten der ärmsten Länder, die sich klar zu Reformen und Armutsbekämpfung bekennen. Bei Umsetzung würde diese Initiative den nach einem herkömmlichen Schuldenerlaß noch verbleibenden Schuldenstand der voraussichtlich zugangsberechtigten Länder von einem Barwert von rund 71 Mrd. US$ um weitere 27 Mrd. US$ reduzieren. Durch diese Maßnahmen und den Erlaß von Schulden aus öffentlicher Entwicklungshilfe (ODA), wovon den G7-Ländern etwa nominal 20 Mrd. US$ geschuldet werden, würde der auf diesen Ländern lastende Schuldendienst deutlich verringert, und es würden Mittel für vorrangige Sozialausgaben freigesetzt.

Ein Rahmen zur Armutsbekämpfung

  1. Zwar erweitert sich durch den großzügigeren Schuldenerlaß der politische Handlungsspielraum der Schuldnerländer, dennoch ist auch weiterhin eine solide Wirtschaftspolitik zu verfolgen und sind neue unproduktive Ausgaben zu vermeiden. Gleichzeitig müssen durch den Schuldenerlaß freiwerdende Mittel den schwächsten Bevölkerungsgruppen zugute kommen. Aus diesem Grunde sind der Schuldenerlaß, die fortlaufende Anpassung, eine besseres Regierungsführung und die Armutsbekämpfung eng miteinander zu verzahnen. Eine verbesserte Haushaltsführung und die dank Schuldenerlaß erzielten Einsparungen dürften zielgerichtete Ausgaben für soziale Grundleistungen ermöglichen.

  2. Die Durchführung solider sozialpolitischer Maßnahmen ist in die Strukturanpassungsprogramme einzubinden, deren Umsetzung von den Schuldnerländern erwartet wird. Die neue HIPC-Schuldeninitiative muß auf einem von den internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) ausgearbeiteten, erweiterten Rahmen zur Armutsbekämpfung aufbauen. Dies ist Voraussetzung für größere Investionen in das Gesundheits- und Bildungswesen sowie andere soziale Bedürfnisse, die für die Entwicklung grundlegende Bedeutung haben.

  3. Hierzu sollten Weltbank und IWF ihre Unterstützung im Rahmen der "Wirtschaftspolitischen Rahmendokumente" (PFP) anpassen, insbesondere die IWF-Programme unter der Erweiterten Strukturanpassungsfazilität (ESAF). Durch Bündelung ihrer Kräfte sollten Weltbank und IWF zugangsberechtigte Länder bei Formulierung und Umsetzung ihrer Programme zur Armutsbekämpfung für eine gezielte Verwendung der aus dem Schuldenerlaß resultierenden Einsparungen unterstützen und gleichzeitig zu einer transparenteren Gestaltung der Haushaltsverfahren zum Schutze der Sozialausgaben beitragen. Bei Ausarbeitung und Umsetzung von Programmen sollten Konsultationen mit weiten Teilen der Zivilgesellschaft stattfinden. Auf der Grundlage dieses Dialogs werden sich Regierungen und Bürger der Schuldnerländer stärker mit den erforderlichen Anspassungsprogrammen identifizieren können.

  4. Wir fordern Weltbank und IWF auf, bis zu den Jahrestagungen konkrete Pläne für diesen erweiterten Rahmen zur Armutsbekämpfung auszuarbeiten.

Beschleunigter Schuldenerlaß

  1. Zwar muß die Umsetzung des Schuldenerlasses sich auch weiterhin über zwei Stufen auf eine solide Wirtschaftspolitik stützen, die Schuldnerländer müssen jedoch durch bessere Leistungen den für die Bereitstellung der Hilfen im voraus festgesetzten Zeitpunkt ("completion point") auch früher erreichen können. Die zweite Stufe ließe sich daher deutlich verkürzen, wenn ein Land ehrgeizige wirtschaftspolitische Zielvorgaben bereits frühzeitig erfüllt ("variabler completion point"). Bei diesem Mechanismus sollten die zur Vertiefung der Strukturreformen und zur Förderung von Investitionen im Sozialbereich erforderlichen konkreten Schwerpunktmaßnahmen vorab festgelegt werden, wobei besonderes Augenmerk auf die Armutsbekämpfung zu richten ist.

  2. Neben dem Abbau des Schuldenüberhangs sollte auch die Verringerung der Belastung durch laufende Zahlungen für den Schuldendienst stärker im Vordergrund der HIPC-Schuldeninitiative stehen, um Mittel für die Bekämpfung der Armut freizusetzen. Die Bereitstellung von "Interimshilfen" durch die IFIs sollte bereits vor Schuldenerlaß am "completion point" erfolgen, um die Last des Schuldendienstes zugangsberechtigter Länder schneller zurückzuführen. Der Pariser Club verfolgt diese Strategie bereits bei bilateralen Schulden, und die IFIs sollten ähnlich verfahren. Nach Erreichen des "completion point" könnten die IFIs darüber hinaus durch eine Ausgestaltung der Schuldenstandsreduktion, bei der die Wirkung auf die Anfangsjahre konzentriert ist, die Schuldendienstzahlungen in den ersten Jahren stärker verringern.

  3. Um den HIPC-Prozeß vorhersehbarer zu gestalten und die Bedingungen für eine schnellere Entspannung bei der Belastung durch laufende Zahlungen zu vereinfachen, sollte der Umfang des Schuldenerlasses zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zugangsberechtigung ("decision point") auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gegebenheiten festgesetzt werden. Die Höhe des Entlastungsbetrages würde damit klarer umrissen.

  4. Eine Reihe der ärmsten Länder mit hoher Verschuldung nehmen noch nicht am HIPC-Prozeß teil. Wir fordern die IFIs und den Pariser Club auf, diese Länder bei der Einbindung in diesen Prozeß vorrangig zu unterstützen.

Tiefgreifenderer und breiter gefaßter Schuldenerlaß

  1. Um für die zugangsberechtigten hochverschuldeten armen Länder eine dauerhafte Lösung ihrer Verschuldungsprobleme zu erreichen und sie in ihren Bemühungen um die Armutsbekämpfung zu unterstützen, sollte die internationale Gemeinschaft sich zu neuen Schritten zur Mittelfreisetzung bereit erklären. Die für die Einstufung als tragfähige Schuldenlast geltenden Zielwerte sollten überprüft und niedriger angesetzt werden. Wir unterstützen folglich die Absenkung der Relation Schuldenstand/Exporte von derzeit 200-250 Prozent auf 150 Prozent. Zudem sollte die alternative Relation Schuldenstand/Einnahmen stärker in den Mittelpunkt gerückt und von derzeit 280 Prozent auf 250 Prozent gesenkt werden. In diesem Zusammenhang sollten auch die Nebenkriterien überprüft werden, die zur Vermeidung des bei dieser Alternative drohenden "moral hazard" aufgestellt wurden und die Mindestquoten für das Verhältnis BIP/Exporte und BIP/Steuereinnahmen enthalten; diese Nebenkriterien könnten von 40 Prozent bzw. 20 Prozent auf 30 Prozent bzw. 15 Prozent herabgesetzt werden. Insgesamt würden diese Korrekturen zu einem tiefgreifenderen Schuldenerlaß führen, stärkere Rücksicht auf die Haushaltslage der Schuldnerländer nehmen und die HIPC-Schuldeninitiative auf eine größere Zahl von Ländern ausdehnen.

  2. Während die bilateralen Gläubiger des Pariser Clubs den zur HIPC-Schuldeninitiative zugangsberechtigten Ländern derzeit einen Schuldenerlaß von bis zu 80 Prozent auf Handelsforderungen gewähren, treten wir für einen noch weitergehendenSchuldenerlaß ein. Insbesondere bei den ärmsten dieser Länder wären wir, falls erforderlich, in Einzelfällen zu einem Schuldenerlaß von bis zu 90 Prozent und mehr bereit. Bei armen Ländern, die die Voraussetzungen für die HIPC-Schuldeninitiative nicht erfüllen, sollte der Pariser Club einen einheitlichen Schuldenerlaß von 67 Prozent bei den Neapel-Konditionen erwägen, bei anderen Schuldnerländern eine Anhebung der heutigen Obergrenze für Schuldenumwandlungen (debt swaps) unter angemessener Berücksichtigung der Transparenz.

  3. Obwohl viele bilaterale Gläubiger Schulden aus öffentlicher Entwicklungshilfe erlassen haben und/oder ihre Entwicklungshilfe für arme Länder nur in Form von Zuschüssen gewähren, sind die verbleibenden Entwicklungshilfeschulden in vielen Ländern nach wie vor eine Ursache für den Schuldenüberhang. Wir fordern daher alle Gläubigerländer auf, zusätzlich zu den für das Erreichen einer tragfähigen Schuldenlast erforderlichen Beträgen, den zugangsberechtigten Ländern über einen Katalog von Optionen auch sämtliche Entwicklungshilfeschulden auf bilateraler Ebene zu erlassen. Wir sind uns bewußt, daß ein solcher Schuldenerlaß für manche Gläubigerländer eine besondere Belastung darstellen würde. Damit die hochverschuldeten armen Länder in Zukunft nicht vor neuen Schuldenproblemen stehen, sollten neue öffentliche Entwicklungshilfen vorzugsweise in Form von Zuschüssen gewährt werden.

Finanzierung

  1. Wir erkennen an, daß diese Änderungen mit beträchtlichen Kosten verbunden sind, insbesondere aufgrund der den IFIs geschuldeten Beträge. Die endgültigen Kosten der Initiative hängen jedoch von zahlreichen Unwägbarkeiten ab, und die tatsächlichen Aufwendungen werden über einen längeren Zeitraum verteilt. Unter Berücksichtigung der Bedeutung, eine angemessene Kapazität der IFIs zur Vergabe konzessionärer Kredite aufrechtzuerhalten, sind wir bereit, zur Deckung dieser Kosten eine Reihe von Mechanismen mitzutragen:

    • Zur Deckung seiner Kosten sollte der IWF seine Mittel bei Wahrung einer angemessenen Reserveausstattung wie folgt mobilisieren: Einnahmen aus Zinsaufschlägen, gegebenenfalls Nutzung der Rückflüsse aus dem Sonderkonto für Eventualfälle oder vergleichbare Finanzierung sowie Nutzung der Zinsen aus dem Erlös eines beschränkten und sorgfältig gestaffelten Verkaufs von bis zu 10 Millionen Unzen aus den Goldreserven des IWF.

    • Die multilateralen Entwicklungsbanken sollten auf bereits begonnene Vorarbeiten aufbauen, innovative Konzepte zur maximalen Nutzung ihrer eigenen Mittel zu identifizieren und zu nutzen.

    • Die den IFIs entstehenden Kosten werden auch bilaterale Beiträge erfordern. Wir haben bereits erhebliche Mittelzusagen für den bestehenden HIPC-Trust Fund gemacht. Wir werden Beiträge zu einem erweiterten HIPC-Trust Fund wohlwollend prüfen.

    • Mit Blick auf die Übernahme der Kosten fordern wir eine angemessene Lastenteilung zwischen den Gebern unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte, einschließlich Umfang und Qualität bereits bewilligter Entwicklungshilfe und bisher gewährter Erlasse von Entwicklungshilfeschulden, und unter besonderer Anerkennung der Beiträge von Ländern mit hohem Anteil ausstehender Entwicklungshilfekredite am BIP.

  2. Ausgehend von diesem Rahmen fordern wir die Internationalen Finanzinstitutionen und den Pariser Club auf, einen zügigeren, weiter gefaßten und tiefer greifenden Schuldenerlaß zu gewähren. Konkrete Vorschläge sind bis zu den nächsten Jahrestagungen von IWF und Weltbank zu vereinbaren.


Quelle: Presse- und Informationsamtes Der Bundesregierung

G8
Anfang
Dieses Auskunftsystem ist von der Bibliothek und von der G8 forschungsgruppe an der Torontoer Universität zusammengestellt.
Kommentar bitte an g8@utoronto.ca
Neubearbeitet den .

Inhalt copyright ©, 1999. University of Toronto. Alle rechte vorbehalten.